Ruin

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Ruin

file under: Doom, Neue Musik, Experimental

„Wenn man sich auf eine Bühne stellt, sollte man auch etwas zu sagen haben. Musik muss extrem und authentisch sein, dann ist mir das Genre egal”, sagt Martin Eder, Gründer der Band RUIN und einer der wichtigsten zeitgenössischen deutschen Künstler.

In diesen Tagen erscheint „Half Skull“, ein mit seiner Band RUIN und dem Solistenensemble Kaleidoskop entwickeltes und eingespieltes, sämtliche Sinne ansprechendes Album, ein Klangerlebnis der besonderen Art.
Die hoch ambitionierte Arbeit zeigt, dass sich die radikale Musik des Martin Eder von seinem ebenso radikalen und überaus polarisierenden Ansatz als Künstler nicht trennen lässt. Ganz ähnlich wie in seiner Kunst, so ist auch auf „Half Skull“ nur wenig so, wie es auf den ersten Blick scheint.
Hier wie dort lauert hinter scheinbaren Idyllen und der Schönheit des Augenblicks zuverlässig der nächste Abgrund. Martin Eder verstand seine Musik stets als die Fortsetzung der künstlerischen Arbeit mit anderen Mitteln, die Musik als Soundtrack zum parallel entstehenden Bild gewissermaßen.
Bei seiner Arbeit mit RUIN spielt Pathos eine grosse Rolle, allerdings hat sich Eder seit etwa zwei Jahren von konventionellen Songstrukturen – die er noch mit seiner letzen Band „Richard Ruin“ verfolgte – abgewendet. Eder überlegte, wie er seiner Musik mehr Radikalität und letztlich Eigenheit einhauchen konnte.

Worum es wirklich geht im Leben und wie man alles Überflüssige streichen kann, war übrigens eine Frage, mit der sich der Martin Eder jener Jahre auch in anderen Lebensbereichen konfrontiert sah. Er spricht es nicht direkt aus, aber die Radikalisierung seines künstlerischen Ansatzes könnte auch etwas mit seiner durchlebten Nahtoderfahrung zu tun haben. Jedenfalls unterzog Martin Eder seine Musik einer gründlichen Remedur. Vorerst nahm er den Gesang weg, danach zerlegte er seine Songs immer mehr in ihre Moleküle, bis schließlich nur noch das Grundgerüst übrig blieb. Eder hatte nun Zeit zum Atmen.
Für den Künstler selbst klingen die Drone/Doom und Ambient-haften Black-Metal-Dekonstruktionionen, die er heute mit RUIN spielt, immer noch wie Roy Orbison, den er in der Kindheit schon verehrte. Am Black Metal faszinieren ihn die Verzweiflung, Selbstaufgabe und der Sound, mit Rassismus, umgedrehten Kreuzen und Satanismus hat Eder nichts am Hut.

Vor einigen Monaten gab Eder nun mit RUIN und dem Solistenensemble Kaleidoskop zwei Konzerte im Berliner Berghain und den Sophiensälen.
Letzteres wurde mitgeschnitten und wird nun unter dem Titel „Half Skull“ veröffentlicht. Die Band setzt konventionelle Instrumente unkonventionell ein, loopt sie, jagt sie durch Filter und Effekte. So entsteht ein Sound, den die klassischen Musiker von Kaleidoskop kongenial ergänzen. Deren Signale werden teilweise elektronisch verfremdet, stille und romantische Passagen bereiten den Weg zu wirklich brachialen atonalen Eruptionen von maximaler körperlicher Erfahrbarkeit. Hier geht es Destruktion und Ausbruch.
In „The Burning“ etwa legt sich ein unheilvolles Rauschen über fragile, verstörende Klavierakkorde. Horror- und B-Movie-Motive flackern auf, man erkennt Zitate aus Drone- und Black-Metal sowie Industrial, aber im Prinzip kann man diese Musik mit konventionellen Kategorien nicht beschreiben. Ruin sind Drama, Pathos, Kitsch, Pomp, Cut Up und Ambient – eine bisweilen verstörende, immens gehaltvolle und überaus physische Musik von ungehemmter Intensität, die maximale Physis mit einem quasi spirituellen sinnlichen Overkill zu einer ganzheitlichen klangästhetischen Erfahrung vereint. Das alles erscheint einem beim Hören des Albums so spontan, dass man denkt, die „Songs“ der Band entstünden mehr oder weniger zufällig.
Tatsächlich ist hier aber jeder Ton und jeder Einsatz tausendmal geprobt worden. Als Gäste standen Ruin der ungarische Black-Metal-Künstler Attila Csihar / Mayhem, Sunn O))) und Jochen Arbeit (Einstürzende Neubauten) zur Seite.

Das Album birgt mit künstlerischer Selbstverständlichkeit ein besonderes Cover-Artwork:
In den zwölf Stücken wird dem Zuhörer ein dämmerig-düsteres Kammerstück präsentiert. Um diese synästhetische Erfahrung greifbar zu machen, wurden für die CD-Gestaltung dementsprechend zwölf Materialien gewählt, die in ihrer Summe – als dicke schwarze Kruste – für die Platte stehen. Im Zusammendruck zu diesem schwarzen Quadrat verschmolzen, werden die Materialien Altöl, Wodka, Fett, Blut, Seife, Aspirin, Tabak, Metall, Knochen, Asche, Ruß und Salz aber auch einzeln im Inneren der CD-Schachtel präsentiert. Erst nach einem mehrmonatigen Laborprozess gelang es, diese sperrigen Materialien zu zähmen und zu Farben zu verarbeiten, die sich für den Siebdruck verwenden ließen. Das fertige Produkt lässt nicht nur durch den dicken “Farb”-Auftrag den Herstellungsprozess spüren und verkörpert so den schwer zu durchdringender Brocken von Klang, Lärm, Geräusch, Rhythmik und Melodie, sondern lässt auch einen seltsamen Geruchsrest zwischen Altöl, Blut und Seife übrig.

T.G.

Links

www.ruinofficial.com